Familienrat

Durch’s reden kommen d’Leut zam!

Was ist der Familienrat?

Der Familienrat ist ein Verfahren, um notwendige Entscheidungen zu treffen und Aufgaben zu teilen. Kinder, Jugendliche, ihre Familien und ihr soziales Umfeld finden in krisenhaften Situationen heraus, welche professionellen Hilfen aus der Fachwelt UND welche Hilfen aus ihrem eigenen privaten Netzwerk überhaupt möglich und hilfreich sind (man kombiniert also Fachwelt und Lebenswelt). So können nachhaltige und passgenaue Lösungspläne entwickelt werden. Unterstützt werden betroffene Familien dabei von speziell ausgebildete KoordinatorInnen. levelUP ist und war die erste Einrichtung in Kärnten, die den Familienrat anbietet. Wir haben ein Stück Maorikultur, ein Stück Neuseeländische Grundhaltung nach Kärnten gebracht. Darauf sind wir schon ein bisserl stolz.

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Weitere Informationen

Wozu ein Familienrat?

  1. um die gedeihliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu fördern
  2. um mit Jugendlichen, die andere Hilfen verweigern, einen Plan zu entwickeln (wie erreicht man denn sonst > 14 Jährige, die auf andere Hilfen keinen Bock haben?)
  3. um Hilfen passgenauer und kosteneffizienter zu gestalten
  4. um die Compliance für andere Hilfen zu fördern (Abbau des Akzeptanzproblems für andere Angebote der Kinder- und Jugendhilfe)
  5. um Widerstände oder Vorbehalte abzubauen
  6. um das Umfeld der Betroffenen in die Mitverantwortung zu „schubsen“
  7. um notwendige Veränderungsprozesse und Entwicklungen anzustoßen
  8. um den Kinderschutz bzw. das Kindeswohl sicherzustellen.

Was sind die Ziele des Familienrat?

  • nachhaltiges und echtes Empowerment für Familien
  • Beteiligung der Betroffenen am Problemlöseprozess (also echte Partizipation)
  • Intrinsische Motivation für den Veränderungsprozess
  • Gemeinschaftliche Kontrolle und Verantwortung (Kinder- und Jugendhilfe UND Lebenswelt kontrollieren GEMEINSAM und teilen sich die Aufgaben GEMEINSAM)
  • Struktur und Rahmen für Entscheidungsfindungen
  • Wichtige Entscheidungen und Aufgabenverteilungen
  • Umsetzbare, mit dem Jugendamt abgestimmte Hilfepläne
  • das Beste aus beiden Welten: Hilfen aus der Fachwelt UND der Lebenswelt kombinieren
  • Den Kreis der Mitverantwortlichen und HelferInnen erweitern (Verantwortung & Kontrolle)

Typische Anlassfälle & Fragestellungen

  • Wie kann die Versorgung eines Kindes sichergestellt werden?
  • Wie kann der Kinderschutz gewährleistet werden?
  • Wer kann etwas zur gedeihlichen Entwicklung beitragen?
  • Welche Hilfen braucht es seitens der Kinder- und Jugendhilfe?
  • Welche Hilfen braucht die Familie seitens ihres sozialen Umfelds?
  • Wer oder was kann für die Familie eine Untersütztung sein?
  • Welche Perspektive gibt es und wie soll es weitergehen?
  • Wer kann ein sicheres Wohnumfeld anbieten?
  • Wo soll das Kind in Zukunft leben?
  • Was muss geschehen, dass eine Rückführung ins Herkunftssystem gelingt?
  • Wie kann es gelingen Jugendliche > 14 Jahre zu erreichen und zu stützen?

Was kommt bei so einem Familienrat eigentlich heraus?

Beim Familienrat, deswegen finde ich das ja so ein grenzgeniales und wichtiges Instrument als Ergänzung zu anderen Hilfen, werden Dinge von Familien geregelt und abgedeckt, die von behördlicher Seite nie verfügt werden könnten. Da werden Vereinbarungen getroffen, Pläne und Krisenabläufe festgelegt, die von Seite des Jugendamtes nicht vorgegeben werden könnten. Da werden Leistungen vom sozialen Umfeld übernommen, die wir Professionisten gar nicht so übernehmen könnten. Und die Pläne sind dann eigentlich immer so gut, dass das Jugendamt gut zustimmen kann. Das ist alles aber unterm Strich auch finanziell nicht bewertbar im Sinne einer klassischen Hilfeplanung.

Stefan Weisbach, M.A. M.Sc.

Fachliche Geschäftsführung und begeisterter Familienratskoordinator

Natürlich gibt es dafür auch zig reale Beispiele aus der Praxis – manche Ergebnisse sind völlig unromantisch, aber manchmal braucht es auch einfach einen strukturierten Rahmen für schwierige Entscheidungen:

  • Eltern, die sich nach 6 Jahren ihrer Trennung und ebensovielen Jahren des kompromisslosen Schweigens, wieder gemeinsam an einen Tisch setzen, um doch noch miteinander über die Situation ihres Sohnes zu sprechen. Die Liebe zu ihrem gemeinsamen Sohn war das Bindemittel für echt gute Lösungen. Danach hat es keine Unterstützung durchs Jugendamt mehr gebraucht.
  • Die pensionierte Nachbarin, die für die beiden Nachbarskinder mit Freude mittags mitkocht, bei den Hausaufgaben hilft und auf die Kinder aufpasst, bis die alleinerziehende Mama von der Arbeit zurückkommt, weil der Dienstplan ziemlich ungünstig ist.
  • Ein Elternpaar, dass sich im Rahmen des Familienrats für eine Scheidung entschieden hat und miteinander den Ablauf der Trennung organisiert haben und letztlich für ihre Kinder vernünftige Kontaktlösungen gefunden haben – mit Hilfe ihres sozialen Umfeldes ganz ohne Streit (Schön und kitschig war es nicht gerade, aber es hat Entscheidungen gegeben).
  • Der Ex-Mann, der der Ex-Frau den Führerschein bezahlt, damit die Übergaben der Besuchskontakte besser klappt. (Das sind Lösungen, die man seitens der KiJuHi nicht verordnen könnte, aber beim Familienrat rauskommen).
  • Der Bürgermeister einer Gemeinde, der übergangsmäßig einer Familie in akuter Notlage unkompliziert eine Wohnung kostenlos zur Verfügung stellt.
  • Der Patenonkel, der nun verlässlich einmal in der Woche etwas mit seinem Patenkind unternimmt und Mitverantwortung für den Buben übernimmt. (Das war eine gute Unterstützung zusätzlich zur FIB).
  • Die Tante, die verlässlich bei der Pflege des Säuglings hilft und aktiv Mitverantwortung trägt, weil die junge Mutter Unterstützung benötigt.
  • Der ältere und bereits studierende Bruder, der nun regelmäßig bei den Hausaufgaben der jüngeren Geschwister hilft, um deren schulische Leistungen zu verbessern und den Eltern zu entlasten.
  • Krisenpläne die von Angehörigen psychiatrisch erkrankter Elternteile für das Wochenende aufgestellt wurden und nachhaltig Bestand haben. (Wer kümmert sich ansonsten so schnell in der Nacht von Samstag auf Sonntag?)

Woher kommt der Familienrat eigentlich?

Seit den 1980er Jahren hat sich das Konzept des Familienrats weltweit verbreitet. Ursprünglich als „family group conference“ bekannt, hat der Familienrat seinen Ursprung in Neuseeland, wo er oft als Geschenk der Maori an die Welt bezeichnet wird. Die Maori sind die indigene Bevölkerung Neuseelands. In Neuseeland erkannte man die Notwendigkeit, Kinder und ihre Familien stärker in Unterstützungsmaßnahmen einzubeziehen. Dabei wird das Wohl des Kindes nicht getrennt vom Wohl der Familie betrachtet. Der Familienbegriff wird dabei weit gefasst und umfasst die sogenannte „Whanau“, die erweiterte Familie, zu der neben Verwandten auch Bekannte, Nachbarn, Freunde und andere wichtige Personen zählen. Inzwischen wird der Familienrat weltweit angewendet und in der UN-Kinderrechtskonvention als Best Practice hervorgehoben. In einigen Ländern hat er sich als zentrales Hilfsangebot der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Jugendgerichtshilfe etabliert und bewährt.

Seit 2017 beschäftigt sich das Team von levelUP intensiv mit dem Familienrat und brachte ihn nach Kärnten. In den letzten Jahren war dieses südlichste Bundesland Österreichs die aktivste Region im Hinblick auf den Familienrat. levelUP, als kleine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, erreichte dabei bedeutende Meilensteine. Zu den Höhepunkten zählen unter anderem der Zertifikatslehrgang Familienrat an der FH Kärnten Academy, die Internationale Fachtagung des Familienrats in Klagenfurt und viele weitere bemerkenswerte Ereignisse.

Am Tag des Familienrats kommen alle zusammen, um gemeinsam einen Plan zu erarbeiten, wie es weitergehen soll. Das geschieht in gemütlicher und sicherer Atmosphäre. Ein bisserl wie Weihnachten – nur ohne Baum, dafür mit Flipchart. 

Wie wird ein Familienrat vorbereitet?

Vorbereitungsphase

Es geht uns doch allen so: manchmal haben wir Probleme und Sorgen. Manchmal stehen wir vor richtig schwierigen Entscheidungen. Manche dieser Probleme, Sorgen oder Entscheidungen sind so belastend, dass wir nicht mehr richtig weiter wissen. Es kommt gar nicht einmal so selten vor, dass sich eine Sozialarbeiterin oder ein Sozialarbeiter der Kinder- und Jugendhilfe Sorgen um eine Familie macht – insbesondere dann, wenn es Kindern und Jugendlichen nicht so gut geht. Die Menschen im Jugendamt haben ihren Beruf gewählt um zu helfen und zu unterstützen. Dafür können sie einen Familienrat vorschlagen. Wenn man in einer schwierigen Situation ist, dann ist es hilfreich mit Menschen zu sprechen, die einem zuhören und helfen können. Das können ganz unterschiedliche Menschen sein (Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, Kolleg:innen etc.). Beim Familienrat versammeln sich Menschen, die bereit sind gemeinsam Verantwortung und Mitverantwortung zu tragen bzw. zu unterstützen. Wer am Familienrat teilnehmen darf suchen sich die betroffenen Familienmitglieder selbst aus – niemand sonst! Gemeinsam ist man stärker. Wenn die Menschen dann versammelt sind, dann wird ein ganz detaillierter Plan erstellt, wie man die Sorgen und Probleme in den Griff bekommen möchte.

 

Wenn eine Familie mit einem Familienrat einverstanden ist, dann wird ein oder eine Koordinator:in beauftragt. Das ist eine Person, die speziell dafür ausgebildet ist einen Familienrat zu koordinieren. Diese zertifizierte Ausbildung ist eine Grundvoraussetzung und wichtig, da es beim Familienrat ganz spezifische Herausforderungen gibt. Der oder die Koordinator:in braucht ein gutes Gespür für Familiendynamiken, muss im Bereich Gruppendynamik sensibilisiert sein und sollte ein solides Repertoire an Sozialer Diagnostik beherrschen. Das ist eine ganz herausfordernde Aufgabe einen Familienrat zu koordinieren. Die Aufgabe geht weit darüber hinaus einen Termin zu fixieren und Einladungen zu gestalten. Die Vorbereitungsphase ist sehr herausfordernd und erfordert höchste Aufmerksamkeit. Alle Teilnehmer müssen lösungsabstinent aber mit viel Feingespür auf den Tag des Familienrats vorbereitet werden.

Informationsphase

Der Tag des Familienrats beginnt damit, dass sich alle Gäste und Ehrengäste (die Kinder und Jugendlichen) am Wunschort versammeln – bspw. zu Kaffee und Kuchen. Manchmal wird der Familierat als Problemlöseparty bezeichnet. Nachdem ein gutes Ankommen aller Gäste erfolgt ist, startet die Informationsphase. Alle Teilnehmer:innen werden nochmal über die Sorge, für die eine Lösung gefunden werden soll, informiert. Es macht of Sinn, dass in dieser Phase Fachleute anwesend sind, die auf verschiedene Fragestellungen eingehen können, um alle Anwesenden auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Das könnten beispielsweise Expert:innen der Schuldenberatung, der Klinischen Psychologie oder der Bewährungshilfe sein. Da gibt es unglaublich viele Möglichkeiten. Dieser gleiche Kenntnisstand ermöglicht eine gute Diskussionsbasis für die darauffolgende Phase.

Family-only-Phase

In der nun folgenden Family-only-Phase verlassen alle professionellen Fachkräfte den Raum. Es beginnt die exklusive Familienzeit. Der  Familienrat arbeitet nun miteinander und ungestört an einer Lösung und am Krisen- und Hilfeplan. Als Ziel gilt, sich darüber zu einigen, wer und in welcher Form zur Problemlösung beitragen kann. Unterstützungsleistungen beziehen sich sowohl auf formelle als auch informelle Unterstützungsleistungen.
Hat der Familienrat gute Lösungen gefunden, werden diese in einem Plan festgehalten. In diesem Plan muss auch klar festgehalten werden, wie die Beiträge der Einzelnen überprüft werden können. 

Verhandlungs- und Entscheidungsphase

Die Ergebnisse, die im erstellten Plan festgehalten werden, werden nun gemeinsam präsentiert. Wurde die Sorge entkräftet, wird dem Plan der Familie zugestimmt. Der Plan muss so gut ausgearbeitet sein, dass er sicher umsetzbar und gegen keine Gesetze verstößt und alle Fragen genau beantwortet.
Der Plan wird dann final verschriftlicht, mit genauen Angaben, wer genau wann für was und wie lange zuständig ist. Es muss ersichtlich sein, wie eine Verbesserung festgestellt werden kann und wer dafür Verantwortung übernimmt.
Jede teilnehmende Person erhält am Ende eine Kopie vom von allen Beteiligten unterzeichneten Plan.

Überprüfungsphase

Nach etwa 1-3 Monaten findet ein weiteres Treffen, der „Folgerat“ statt. Dieser Termin wurde verpflichtend am Ende des Familienrats festgelegt.
Hier geht es darum, Fortschritte und Entwicklungen zu besprechen und den Plan im Bedarfsfall noch einmal zu verbessern.
Folgeräte verstärken den Erfolg eines Familienrats nachweislich! Folgeräte festigen die Ergebnisse und stärken die erweiterte Familie, wodurch sich die Regel ergibt, dass je mehr Folgeräte stattfinden, es umso besser ist. Man kommt dadurch immer wieder zusammen, was verbindend und stärkend wirkt.

Die wichtigsten Prinzipien des Familienrats – alles ist eine Frage des Zutrauens und der Haltung:

  1.  Die Verantwortung für die Lösung liegt bei der Familie. Die Familie und ihr soziales Umfeld entwicklet einen Plan wie es weitergehen soll. Dieser wird mit der Kinder- und Jugendhilfe genau abgestimmt.
  2. Wesentlich ist es, umsetzbare Ideen und Lösungen zu finden. Wer macht was, wann, wo, wozu und wie lange?
  3. Die Pläne müssen umsetzbar sein und dürfen gegen keine Gesetze verstoßen. Unverantwortliche Risiken für das Kindeswohl müssen auszuschließen sein.
  4. KoordinatorInnen arbeiten vollkommen neutral und lösungsabstinent. Sie unterstützen die Familie bei der organisatorischen Vorbereitung des Familienrats. Familiendynamiken spielen dabei riesengroße Rolle – deswegen dürfen auch nur spezifisch ausgebildete Fachkräfte einen Familienrat koordinieren.
  5. Eingeladene Fachkräfte informieren über verschiedene relevante Fragen.
  6. Kinder und Jugendliche werden niemals zur Teilnahme gezwungen. Sie sind aber die Ehrengäste im Familienrat.

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